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Hilfe finden bei häuslicher Gewalt

Hilfe finden bei häuslicher Gewalt: Häusliche Gewalt ist ein Thema, das leider immer noch viel zu wenig Beachtung findet. Alleine in Deutschland erfährt jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben physische oder sexualisierte Gewalt. Dabei wird etwa jede vierte Frau mindestens einmal Opfer körperlicher oder sexueller Gewalt durch den Lebenspartner. Und, nicht zu vergessen: Auch Männer sind von häuslicher Gewalt betroffen.

Gewalt geht uns also alle an – denn sie kann in der Wohnung nebenan stattfinden, zu Hause bei dem langjährigen und geschätzten Arbeitskollegen, oder auch bei der besten Freundin, die eigentlich immer sehr glücklich wirkt. Daher startete im November 2019 die Initiative „Stärker als Gewalt“, welche Teil des Aktionsprogrammes „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ der Bundesregierung ist. Mit dem Aktionsprogramm sowie der Initiative setzt sich die Bundesregierung aktiv für die Prävention und Bekämpfung von häuslicher Gewalt ein.

Auch DocMorris möchte „Stärker als Gewalt“ unterstützen und dazu beitragen, Betroffenen den Zugang zu einer Vielzahl an bundesweiten Hilfs- und Beratungsangeboten zu erleichtern. Mit dem Team der Initiative „Stärker als Gewalt“ haben wir uns über die Arbeit der Initiative unterhalten.

1. Was genau versteht man unter der Begrifflichkeit „häusliche Gewalt“ und welche Ausprägungen kann diese annehmen?

Häusliche Gewalt bezeichnet Gewalttaten zwischen Menschen, die in einer häuslichen Gemeinschaft leben oder lebten – zum Beispiel in einer Ehe oder Lebenspartnerschaft oder intimen Beziehung. Neben körperlicher Gewalt fällt auch sexuelle oder psychische Gewalt unter den Begriff. Demütigungen, Drohungen, Einschüchterungen, soziale Isolation oder wirtschaftlicher Druck sind ebenso Formen von häuslicher Gewalt wie unterschiedlich schwerwiegende Gewalthandlungen. Vom wütenden Wegschubsen und Ohrfeigen bis hin zum Schlagen mit Gegenständen, Verprügeln und Gewaltanwendungen mit Waffen. Sexuelle Übergriffe können auch erzwungene sexuelle Handlungen wie Vergewaltigung und sexuelle Nötigung sein.

2. Wer sind die Betroffenen?

Häusliche Gewalt zieht sich durch alle sozialen Schichten. Mehr als 80 Prozent der Betroffenen häuslicher Gewalt sind Frauen. Häusliche Gewalt betrifft aber auch Männer. Ältere Frauen sind genauso betroffen, wie andere Altersgruppen. Bestimmte Rollenbilder können dazu beitragen, dass die erlebte Gewalt toleriert wird.

3. Haben Sie den Eindruck, dass die Corona-Pandemie das Aufkommen häuslicher Gewalt verstärkt?

Viele Familien und Partnerschaften erleben in der Pandemie große Herausforderungen. Einschränkungen im Alltag, ungewohnte Tagesabläufe und Unsicherheit sorgen für Anspannung. Auch Zukunftsängste und finanzielle Sorgen verstärken den Stress. In dieser schwierigen Situation steigt das Risiko, dass es zu Gewalt kommt. Kontaktbeschränkungen oder Quarantäne können es zudem erschweren, Hilfe im Familien- oder Freundeskreis oder bei einer Beratungsstelle zu suchen.

Die Familie, der Freundeskreis und die Nachbarschaft sind deshalb jetzt besonders gefragt: Sie sollten auf Zeichen häuslicher Gewalt in ihrem Umfeld achten. Warnsignale können zum Beispiel zunehmender Lärm und Streit in der Nachbarwohnung, verändertes Verhalten wie sozialer Rückzug oder äußere Anzeichen von Gewalteinwirkung sein.

4. Erzählen Sie uns mehr über die Initiative „stärker als Gewalt“: Wer steckt dahinter und wie sieht die Arbeit aus?

Die Initiative „Stärker als Gewalt“ ist Teil des Aktionsprogramms der Bundesregierung „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“. Sie setzt sich dafür ein, dass mehr betroffene Frauen und Männer Mut haben und sich wehren, wenn sie von körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt betroffen sind, und dass mehr Menschen im Umfeld von betroffenen Personen hinsehen und ihnen helfen.

In der Initiative haben sich viele Organisationen zusammengeschlossen, die sich gegen Gewalt an Frauen und Männern einsetzen und helfen. Darüber hinaus unterstützen mehr als 200 Organisationen, Verbände, Kommunen, Unternehmen und engagierte Einzelpersonen die Initiative.

Die Website www.stärker-als-gewalt.de bündelt den Zugang zu einer Vielzahl an bundesweiten Hilfe- und Beratungsangeboten. Sie klärt auch darüber auf, wie man Formen von Gewalt erkennt, wie man etwas dagegen unternehmen kann und wo man Beratung und Hilfe findet.

5. Wem wird geholfen?

Frauen und Männer, die von Gewalt betroffen sind, erhalten Hilfe und Unterstützung durch Beratungs- und Hilfsangebote, Frauenhäuser, Männerschutzwohnungen und natürlich die Polizei.

Auch für Täter und Täterinnen gibt es auf unserer Webseite Informationen zu bundesweiten Beratungs- und Hilfsangeboten. Verantwortung für Gewalt zu übernehmen, ist der erste Schritt. Die Angebote unterstützen Täter oder Täterinnen dabei, sich mit dem eigenen Verhalten auseinanderzusetzen und es zu beenden.

6. Woran erkenne ich, ob ein konkreter Fall von häuslicher Gewalt vorliegt?

Meistens beginnt häusliche Gewalt schleichend. Deshalb ist es wichtig, Warnsignale frühzeitig zu erkennen. Anfangs ist der Partner oder die Partnerin vielleicht immer wieder launisch, aggressiv oder beleidigend. Vielleicht zeigt er oder sie sich zunehmend eifersüchtig und beginnt, Ausgaben, soziale Kontakte oder das Handy zu kontrollieren.

Auch das Umfeld kann auf Warnsignale achten: Zieht sich jemand plötzlich aus dem sozialen Umfeld zurück? Wirkt die Freundin in letzter Zeit unsicher, nervös oder gereizt? Hat jemand stark zu- oder abgenommen, trinkt er oder sie in letzter Zeit vermehrt Alkohol? Gerade in bestimmten Lebenssituationen kann ein aufmerksames Umfeld wichtig sein. Zu häuslicher Gewalt kommt es oft im Zusammenhang mit Veränderungen wie der Geburt eines Kindes, Arbeitslosigkeit oder einer Trennung sowie belastenden Umständen wie Schulden oder Suchterkrankungen.

7. Wie sollte ich mich verhalten, wenn ich den Eindruck habe, dass eine Person in meinem Umfeld unter häuslicher Gewalt leidet?

Viele Menschen unterschätzen die hohen Fallzahlen von häuslicher Gewalt und denken, dass es das in ihrem eigenen Umfeld nicht gibt. Machen sich plötzlich doch Anzeichen von häuslicher Gewalt bemerkbar, sind Familie und Freunde oft unsicher: Sie möchten helfen, aber wissen nicht wie.

Ein erster wichtiger Schritt kann darin liegen, das Gespräch zu suchen und der betroffenen Person Hilfe anzubieten. Zum Beispiel kann man auf Beratungsangebote hinweisen. Manchmal ist es auch so, dass die betroffene Person im ersten Augenblick Hilfe ablehnt. Wichtig ist aber, das Signal zu geben: Ich bin für dich da. Keinesfalls sollte man etwas über den Kopf der anderen Person entscheiden – außer, es geht um eine akute Gewaltsituation. Das ist Sache der Polizei und die kann man zur Not auch anonym rufen.

8. Auf Ihrer Webseite bieten Sie den „Hilfe-Typen-Check“ an. Was genau können wir uns darunter vorstellen?

Der Hilfe-Typen-Check macht deutlich: Es gibt viele Wege, etwas gegen Gewalt zu unternehmen. Alle sind richtig, aber nicht jede Person möchte oder kann auf die gleiche Art und Weise handeln. Oft ist es so, dass eine Person, die Zeugin oder Zeuge einer Gewaltsituation wird, sich überfordert fühlt. Und befürchtet, die Situation falsch einzuschätzen oder das Falsche zu tun. Aber Wegschauen ist keine Lösung. Je früher Gewalt erkannt wird, desto besser sind die Chancen, diese zu stoppen.

Der Hilfe-Typen-Check zeigt, wie eine persönliche Strategie gegen Gewalt aussehen kann. Manche Menschen sind eher der Typ Teamplayer, sie setzen auf Zusammenarbeit. Wenn sie Gewalt beobachten, organisieren sie Hilfe und holen andere mit ins Boot. Jemand, der eher der kreative Typ ist, hat dann vielleicht spontan eine Idee, um die Situation zu entschärfen oder die Tatperson abzulenken. Sehr direkte Menschen – Typ Klartexter/in – zögern nicht lange, wenn andere Hilfe brauchen. Sie sprechen die Tatperson/en direkt an und helfen damit anderen, ebenfalls einzuschreiten und gemeinsam zu helfen.

Wichtig ist in jedem Fall, wenn möglich zuerst auf die betroffene Person zuzugehen und sie zu fragen, wie sie vorgehen möchte. Und ebenfalls wichtig: Wer helfen will, sollte sich nie selbst in Gefahr bringen.

9. Wie erhalte ich als betroffene Person Zugang zu Hilfsangeboten

Auf der Website www.stärker-als-gewalt.de finden Betroffene zahlreiche bundesweite Hilfe- und Beratungsangebote.

Viele Organisationen bieten individuelle Möglichkeiten für eine Beratung an – telefonisch, im Online-Chat, per E-Mail oder in einem persönlichen Gespräch. Auch Familienmitglieder oder Freundinnen und Freunde, die von Gewalt betroffenen Personen helfen wollen, können sich an diese Anlaufstellen wenden.

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