Zöliakie – wenn Essen krank macht
Haben Sie sich nach dem Essen auch schon mal schlecht gefühlt? Da war dann dieses flaue Gefühl im Magen und später waren Sie froh, dass alles wieder raus ist? Zum Glück ist das für die meisten Menschen die Ausnahme. Doch bedauerlicherweise gibt es Menschen, die genau aufpassen müssen, was sie essen, weil sie vieles nicht vertragen. Spezifische Ernährung ist daher ein wichtiges Thema für viele chronische Krank. Besonders wenn die Erkrankung durch die Ernährung selbst verursacht wird. Dabei handelt es sich um Zöliakie.
Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung des Darms. Bei der Aufnahme von Lebensmitteln, die das Klebereiweiß Gluten enthalten, kommt es bei Gluten empfindlichen Personen zu einer chronischen Entzündung im Dünndarm mit Rückbildung der Dünndarmzotten. Die Schleimhautzellen des Dünndarms sind für die Nährstoffaufnahme verantwortlich. Durch die Schädigung entstehen erhebliche Mangelerscheinungen, die bei unbehandelter Zöliakie nach Jahren zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen wie z. B. Osteoporose und Darmkrebs führen können. Mit der richtigen Ernährung jedoch ist ein Leben ohne Krankheitssymptome möglich und Spätfolgen nicht zu befürchten.
Wer erkrankt an Zöliakie und wie äußert sich die Erkrankung?
Ursache für die Entwicklung der Zöliakie ist eine erbliche Veranlagung. Daher tritt sie häufig schon im Kleinkind oder Säuglingsalter auf. Der Zeitpunkt der ersten Glutenaufnahme und die zugeführte Menge an Gluten, bei der Umstellung von Muttermilch auf glutenhaltige Breikost, scheinen auf die Entwicklung Einfluss zu nehmen.
Es ist aber auch möglich, dass die Erkrankung im Erwachsenenalter erstmalig auftritt.
Die Betroffenen leiden unter Symptomen wie:
- Durchfälle
- Übelkeit und Erbrechen
- Appetitlosigkeit
- Gewichtsabnahme
- Blähungen
- Völlegefühl
- Wachstums- und Entwicklungsstörungen bei Kindern
- Vitaminmangelerscheinungen
- Müdigkeit und Antriebsschwäche
- Misslaunigkeit und Reizbarkeit
- massiver Flüssigkeitsverlust
- Knochenschmerzen
- Bei Kindern im fortgeschrittenen Stadium ein vorgewölbter Bauch und magere Extremitäten
- Hautausschlag (Rötung, Bläschen)
Woher weiß ich, dass es sich um Zöliakie handelt?
Die Symptome können ein erster Hinweis sein, sind aber häufig zu unspezifisch. Eine sichere Diagnose stellt der Arzt durch eine Gewebeentnahme aus dem Dünndarm und durch einen Antikörpernachweis im Blut. Bei der Zöliakie sind die sogenannten Dünndarmzotten nicht mehr vorhanden und im Blut sind bestimmte Antikörper zu finden. Da an der Höhe des Messwertes der Antikörper die Stärke der Dünndarmschleimhautschädigung erkennbar ist, kann so auch der Verlauf der Erkrankung beobachtet werden. Zusätzlich können Veränderungen von bestimmten Blutwerten und bestimmte Tests, welche die Funktionsfähigkeit des Dünndarms überprüfen, in Verbindung mit entsprechenden Beschwerden, ein Hinweis auf Zöliakie sein. Die Diagnose sollte erfolgen, bevor auf eine glutenfreie Ernährung umgestellt wird, da sonst die Diagnoseerstellung erschwert ist.
Das Vollbild der Zöliakie tritt nur bei etwa 10-20% der Betroffenen auf. 80-90% haben keine oder nur sehr unspezifische Beschwerden und wissen daher überhaupt nicht, dass sie unter Zöliakie leiden.
Was kann ich tun, um das Risiko an Zöliakie zu erkranken zu minimieren?
Eine gezielte Vorbeugung ist nicht möglich. Aber folgende Maßnahmen können helfen, um möglicherweise schwere Verläufe bereits im Kindesalter zu vermeiden:
- Stillen mindestens über die ersten sechs Lebensmonate.
- Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel während der ersten vier Lebensmonate.
- Frühestens ab dem fünften Lebensmonat stufenweise glutenhaltige Lebensmittel auf den Speiseplan bringen, während das Kind noch gestillt wird, damit es sich langsam an die glutenhaltige Nahrung gewöhnen kann.
Welche Spätfolgen können auftreten?
Spätfolgen sind nur dann zu befürchten, wenn die Erkrankung nicht oder nicht ausreichend behandelt wird. Ohne Behandlung führt die Zöliakie im Kindesalter im weiteren Verlauf zu Kleinwüchsigkeit, Rachitis (Störung des Knochenstoffwechsels) und Vitaminmangelerscheinungen mit Blutgerinnungsstörungen. Auch kann es zu Knochenschmerzen, Zahnschmelzschädigungen und eine verspätet einsetzende Pubertät kommen. Im Erwachsenenalter erhöht sich die Wahrscheinlichkeit an Krebs oder Osteoporose zu erkranken. Weiter können auftreten: Fertilitätsstörungen (Empfängnisunfähigkeit und Zeugungsunfähigkeit), Diabetes mellitus Typ 1, Schilddrüsenentzündung, Psoriasis (= Schuppenflechte) sowie andere dermatologische Krankheiten und psychiatrische/neurologische Pathologien.
Muss ich mein Leben lang mit den Beschwerden und Risiken leben?
Bei einer konsequenten glutenfreien Ernährung sind die Chancen auf einen positiven Verlauf der Erkrankung sehr gut. Betroffene Kinder entwickeln sich bei entsprechender Therapie körperlich und geistig völlig normal und sind voll leistungsfähig. Auch bei Erwachsenen ist mit der richtigen Ernährung ein Leben ohne Krankheitssymptome möglich und das Risiko auf Spätfolgen normalisiert sich.
Gibt es eine Chance auf Heilung?
Die Unverträglichkeit auf Klebereiweiß Gluten besteht ein Leben lang. Aber die strikte, lebenslange glutenfreie Ernährungsweise führt zu einer Regeneration der Dünndarmschleimhaut durch Neubildung der Darmzotten und so zu einer Wiederherstellung der normalen Funktionen. Auch klinische Symptome, wie die zöliakiespezifischen Antikörper, die im Blut nachzuweisen sind und eine evtl. auftretende Lactoseintoleranz bilden sich zurück. Die Diät beugt langfristig Spätkomplikationen vor. Beachten sie aber, dass schon bei Aufnahme kleinster Glutenmengen die Schädigung erneut einsetzt, auch wenn wahrnehmbare Symptome zunächst ausbleiben.
Was bedeutet „glutenfreie Ernährung“?
Bei der Zöliakie ist ein konsequenter lebenslanger Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel unbedingt erforderlich. Auch kleine Mengen sind zu meiden.
Folgende Lebensmittel sind bei der Diagnose Zöliakie verboten:
- Weizen
- Roggen
- Gerste
- Hafer
- Grünkern
- Dinkel
- Kamut
- Einkorn
- Urkorn
- Emmer (Zweikorn)
- Bulgur
- Couscous
- Triticale
- Alle Lebensmittel die diese Getreide auch nur in Spuren enthalten
- Lebensmittel die aus diesen Getreidesorten hergestellt sind (z. B. Mehl, Grieß, Kleie, Graupen, Stärke, Flocken, Müsli, Brot, Brötchen, Gebäck, Kuchen, Müsliriegel, Blätterteigteilchen, Hefestückchen, Teigwaren, Pizza, Gnocchi, Knödel, Nudeln, Puddingpulver, Paniermehl, Malzkaffee, Malzgetränke, Bier, Salzstangen, Knabbergebäck)
Oftmals ist in verarbeiteten Lebensmitteln versteckt Gluten enthalten, daher ist hier besondere Vorsicht geboten (z. B. gebundene Soßen, Suppen, Fertiggerichte, Pudding, Pommes Frites, Kroketten, Kartoffelpuffer, Wurst, Frischkäsezubereitungen, Eis, Nuss-Nougat-Cremes, Milchprodukte mit Frucht, Chips, Flips und Co, Ketchup, Senf, Schokolade, Gewürzmischungen). Eine ausgewogene Ernährung ist trotz Verzicht auf Gluten möglich, da eine Vielzahl von Lebensmitteln grundsätzlich glutenfrei ist.
Folgende Lebensmittel sind bei der Diagnose Zöliakie in unverarbeiteter bzw. ohne weitere Zusätze erlaubt:
- Reis
- Hirse
- Mais und Gebäck aus Maismehl
- Johannisbrotkernmehl
- Sojamehl
- Mais-, Kartoffel- und Reisstärke
- Maisgrieß
- Buchweizen
- Quinoa
- Amaranth
- Kartoffeln
- Sojabohnen
- Esskastanien
- Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte
- Milch, Joghurt, Quark, Buttermilch, Frischkäse, Käse, Kondensmilch
- Tofu, Sojamilch
- Eier
- Obst & Gemüse
- Hülsenfrüchte
- Nüsse und Samen
- Pflanzenöle und Butter
- Zucker
- Honig, Konfitüre, Marmelade, Ahornsirup
- reine Gewürze und Kräuter
- Wasser, Kaffee, reiner Schwarz-, Kräuter- und Früchtetee, reine Fruchtsäfte
- Wein und Sekt
Im Lebensmittelhandel, in Reformhäusern und Apotheken gibt es speziell für eine glutenfreie Ernährung hergestellte diätetische Erzeugnisse z. B. Brot, Backwaren und Teigwaren.
Folgende Ernährungshinweise sollten sie unbedingt mit ihrem Arzt besprechen:
- In der Akutphase der Erkrankung kann es zu Fettverdauungsstörungen kommen, so dass eine vorübergehende Begrenzung der Fettzufuhr sinnvoll sein kann.
- Auch kann zu Beginn eine Lactoseintoleranz vorliegen. Ein Verzicht oder eine Einschränkung von laktosehaltigen Lebensmitteln kann vorübergehend notwendig sein.
Wenn sich die Dünndarmschleimhaut regeneriert und sich die Resorptionsfähigkeit zunehmend bessert, können diese Einschränkungen wieder aufgehoben werden.
Wie erkenne ich glutenfreie/glutenhaltige Lebensmittel?
Zutaten die allergische oder andere Unverträglichkeitsreaktionen auslösen können, müssen auf der Zutatenlisten von verpackten Produkten deklariert werden. Dies gilt auch für glutenhaltige Zutaten. Diese Kennzeichnungsvorschriften gelten nur für Fertigpackungen, nicht für lose abgegebene Waren. Der Zusatz „glutenfrei“ oder „enthält Gluten“ ist leider nur selten angegeben. Es gibt auch Ausnahmen von der Kennzeichnungspflichtig, z. B. aus Weizenstärke gewonnener Zucker. Das glutenhaltige Ausgangsmaterial muss nicht angegeben werden.
Folgende Definitionen geben Aufschluss über den Glutengehalt in Lebensmitteln:
Glutenfrei = Glutengehalt <20ppm = 20mg/kg
Sehr geringer Glutengehalt = Glutengehalt zwischen 21-100 ppm = 21-100mg/kg
Glutenfreie Lebensmittel sind durch den Aufdruck „glutenfrei“ oder mit dem Symbol der „Durchgestrichenen Ähre“ der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft (DZG e. V.) gekennzeichnet.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es zusätzlich zur glutenfreien Ernährung?
Die Zöliakie lässt sich bisher ausschließlich diätetisch behandeln. Die glutenfreie Ernährung ist das „a“ und „o“ bei der Therapie der Zöliakie. Ohne sie ist keine Beschwerdefreiheit möglich und Spätfolgen sehr wahrscheinlich. Nur bei einem nachgewiesenen Mangel an Vitaminen und Mineralstoffen sollte diese mit entsprechenden Präparaten ersetzt werden. Eine regelmäßige Überwachung der Antikörper im Blut gibt Hinweise über den Verlauf der Erkrankung. Diese und die Überwachung der Körperentwicklung sind besonders im Jugendalter wichtig, da teilweise mit einem nicht einhalten der glutenfreien Diät zu rechnen ist.
Nicht nur die glutenfreie Nahrungsmittelauswahl ist von Bedeutung. Auch Verunreinigungen mit Gluten sind zu vermeiden. Dies kann durch falsche Lagerung oder falsche Vor- und Zubereitung der Speisen vorkommen, vor allem, wenn gleichzeitig für Nichtbetroffene Familienmitglieder glutenhaltig gekocht und gebacken wird. Achten Sie daher auf eine sorgfältige Trennung der Produkte und Arbeitsgeräte wie Messer, Schneidebretter, Kochtöpfe und Pfannen. Wenn sie keine getrennten Arbeitsgeräte für die glutenfreie und glutenhaltige Zubereitung verwenden, dann achten sie auf eine sorgfältige Reinigung der Materialien, da auch schon Spuren von Gluten ihren Darm wieder schädigen können.